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Freitag
Fernando Pessoa "Das Buch der Unruhe"
23(48): "(...) Das Lachen eines verlassenen Kindes klang in der gereinigten Atmosphäre wie das Zwitschern eines Kanarienvogels."
17(44): "Die Leute, die auf der Straße vorübergehen, sind stets die gleichen, die vor kurzem vorübergegangen sind, sind stets der fluktierende Anblick von irgendjeman, bewegte Flecken, ungewisse Stimmen, Dinge, die vorübergehen und nicht zum Ereignis gedeihen."
19(63): "Wenn ich Gesichter, die ich gewohntermaßen auf meinen gewohnten Straßen sah, nicht mehr sehe, werde ich betrübt; und doch haben sie mir nichts bedeutet; sie waren nur ein Symbol der ganzen Lebens."
29(129): "Je höher die Sensibilität und je subtiler die Fähigkeit zu fühlen, desto absurder vibriert und erschaudert die bei den kleinen Dingen. Eine fabelhafte Intelligenz ist notwendig, um vor einem dunklen Tag August empfinden zu können. Die Menschheit, die recht unsensibel ist, spürt keine Angst vor dem Wetter, denn Wetter gibt es immer; sie fühlt den Regen nur dann, wenn er auf sie niedergeht."
30(167): "Aber immer ist die Sonne da, wenn die Sonne scheint, und die Nacht, wenn die Nacht einbricht. Immer ist der Kummer da, wenn der Kummer uns drückt, und der Traum, wenn der Traum uns einwiegt. Immer ist das Vorhandene vorhanden und nie das, was eigentlich vorhanden sein müßte, nicht weil es besser oder schlechter wäre, sondern weil es etwas anderes ist."
32(121): "Ich habe es stets abgelehnt, verstanden zu werden. Verstanden werden heißt sich prostituieren. Ich ziehe es vor, als derjenig, der ich nicht bin, ernst genommen zu werden, und als Mensch mit Anstand und Natürlichkeit verkannt zu werden."
35(482):
"unter der großen Stille der Gestirne"
"einer momentanen Eingebung folgend"
"Ich werde immer (ein Sklave) meiner Empfindungen und der Stunde sein, in der ich sie empfinden kann."
"erholsame Einsamkeit"
"ein tauber Instinkt liegt in der Seele und verrät mir (...)"
"die anonyme Gesundheit des normalen Lebens"
"Ich spüre Sehnsucht nach der Möglichkeit, eines Tages Sehnsucht empfinden zu können, die selbst dann noch sinnlos ist."
"die erschütternde Objektivität der Welt..."
"die große Gleichgültigkeit der Gestirne"

48(24): Lezten Endes bleibt von diesem Tage das, was vom gestrigen blieb und vom morgigen bleiben wird: die unersättliche und nicht zählbare Begierde, imer derselbe und ein anderer zu sein.
14.3.1930 51(173): "Das Schweigen, das vom rauschenden Regen ausgeht, verbreitet sich in einem Crescendo grauer Monotonie in der engen Straße, auf die ich schaue."
"Es herrscht keine Ruhe - und ich habe, wehe mir!, nicht einmal das Bedürfnis, sie zu finden..."

53(233): "(...) Wir alle sind daran gewöhnt, uns selber vorzugsweise als geistige Wirklichkeit zu betrachten und die anderen als unmittelbare körperliche Wirklichkeiten; nur ganz vage betrachten wir uns als körperliche Wesen mit Auswirkungen auf die Augen unserer Mitmenschen; nur vage betrachten wir auch die Mitmenschen als geistige Wirklichkeit, doch nur in der Liebe oder im Konflikt wird uns wahrhaft deutlich, daß die anderen vor allem Seele besitzen, so wie wir für uns selbst. (...)"

10.4.1930 61(83): "Ich spürde en Ekel vor der ordinären Menschheit, die im übrigen die einzige ist, die es gibt. Und manchmal überkommt mich Lust, diesen Ekel zu vertiefen, so wie man ein Erbrechen hervorrufen kann, um den Brechreiz loszuwerden (...)"

62(49): "(...) Jeder Schläfer wird von neuem zum Kind. Vielleicht weil man im Schlaf nichts Böses tun kann und das Leben nicht bemerkt, ist der größte Verbrecher, der verschlossenste Egoist dank einer natürlichen Magie geheiligt, so lange er schläft. Zwischen dem Mord an einem Schlafenden und dem Mord an einem Kind kenn ich keinen merklichen Unterschied. (...)"

76(132): "Das Leben ist für uns das, war wir in ihm wahrnehmen. Für den Bauern, dessen eigenes Land sein ein und alles ist, ist dieses Land ein Imperium. Für den Cäsar, dessen Imperium ihm noch zu wenig ist, ist dieses Imperium ein Feld. Der Arme besitzt ein Imperium; der Große besitzt ein Feld. In Wahrheit besitzen wir nur unsere eigenen Wahrnehmungen; auf sie und nicht auf was sie sehen, müssen wir demnach die Wirklichkeit unseres Lebens gründen. (...)"

78(119): "(...) Ich entsinne mich plötzlich an die Kindheit, als ich den Morgen über der Stadt aufgehen sah, wie ich ihn heute nicht sehen kann. Damals ging er nicht für mich auf, sondern für das Leben, denn damals war ich, da ich nicht bewußt lebte, das Leben. Ich sah den Morgen an und freute mich; heute sehe ich den Morgen an und freue mich und werde traurig. Das Kind ist geblieben, aber es ist verstimmt. Ich sehe noch immer, wie ich gesehen habe, aber hinter den Augen sehe ich mich sehen; und allein dadruch verdunkelt sich mir die Sonne, und das Grün der Bäume altert und die Blumen welken, mal war ich hier zu Huase; heute kehre ich zu jeder Landschaft, auch wenn sie neu für mich ist, als Fremdling zurück, Gast und Pilger ihrer Darstellung, ein Fremder bei dem, was ich sehe und höre, alt von mir selbst.
Ich habe schon alles gesehen, auch wenn ich es niemals gesehen habe und auch wenn ich es niemals zu Gesichte bekommen werde. In meinem Blut strömt selbst die geringste der künftigen Landschaften, und die Angst vor dem, was ich an Neuem anschauen muß, ist für mich eine vorweggenommene Monotonie (...)"

84(190): "(...) Für mich ist schreiben Selbstverachtung, aber ich komme doch nicht vom Schreiben los. Schreiben ist für mich wie die Droge, die ich verabscheue und doch einnehme, wie das Laster, das ich verachte und von dem ich doch nicht loskomme. Es gibt notwendige Gifte und es gibt solche subtilster Art, die aus Ingredienzien der Seele bestehen, aus Kräutern, die man in den Winkeln der Traum-Ruinen pflückte, schwarzer Mohn neben Gräbern aufgespürt - (?) langgezogene Blätter obszöner Bäume, deren Zweige vernehmlich an den Ufern der höllischen Flüsse der Seele rauschen. (...)"

Luzides Tagebuch: "(...); selbst eine mir entgegengebrachte Sympathie konnte nicht mehr sein als eine Laune der fremden Gleichgültigkeit. (...)"

90(220): "Gott erschuf mich als Kind und kat mich immer ein Kind bleiben lassen. Warum aber hat er zugelassen, daß mich das Leben geschlagen hat, mir meine Spielzeuge wegnahm und mich in den Pausen allein ließ, in denen ich mit schwachen Händen die von häufigen Weinen schmutzig gewordene Spielschürze zweknitterte? Wenn ich nur als verzärteltes Kind lebensfähig war, warum hat man meine Zärtlichkeit in den Mistkübel geworfen? Ach, jedesmal wenn ich auf den Straßen ein weinendes Kind sehe, ein von den übrigen ausgestoßenes Kind, schmerzt mich mehr als die Traurigkeit dieses Kindes das ahnungslose Entsetzen meines schöpften Herzens. Ich tue mir selber weh mit der ganzen Größe des gefühlten Lebens, mein sind die Hände, die den Saum der Spielschürze zerknittern, mein die verzogenen Münder mit den echten Tränen, mein sind Schwäche und Einsamkeit, und das Gelächter der vorbeigehenden Erwachsenen gebraucht mich wie Streichhölzer, die man am empfindlichen Stoff meines Herzens anzündet und aufflammen läßt."

91(225): "In meiner schäbigen Seele registriere ich tagaus tagein die Eindrücke, welche die äußere Substanz meines Selbst-Bewußtseins bilden. Ich verwandle sie in müßige Wörter, die mich im Stich lassen, sobald ich sie niederschreibe, und von mir unabhängig über Hänge und Rasenflächen von Bildern über Alleen von Begriffen, über Hihlwege von Verwirrungen irren. Das dient mit zu nichts, denn mit dient nichts zu etwas. Doch ich vergesse mein Leid, indem ich schreibe, so wie jemand besser atmen kann, ohne daß seine Krankheit vorüber wäre (...)"

99(438) 29.11.1931: "(...) Das von uns gelebte Leben ist ein fließendes Mißverständnis, eine heutere Mitte zwischen der Größe, die es nicht gibt, und dem Glück, das es nicht geben kann. Wir sind zufrieden, denn selbst beim Denken und Fühlen sind wir imstande, nicht an die Existenz der Seele zu glauben. AUf dem Maskenball, den wir miterleben, genügt uns das gefällige Kostüm, das azf dem Ball ausschlaggebend ist. Wir sind Sklaven der Lichter und der Farben, wir schreiten im Tanz wie in der Wahrheit, und wir spüren nicht einmal - ausgenommen wenn wir allein herumstehen und nicht tanzen die große hohe Kälte der äußeren Nacht, des sterblichen Körpers unter den Lumpen, die ihn überleben, all dessen, wovon wir, wenn wir allein sind, glauben es sei Wesentlich wir, was aber endlich doch nur eine intime Parodie der Wahrheit dessen ist, wofür wir uns halten. (...)"

152(310): "So bin ich, nichtig und sensibel, wie ich bin, fähig zu heftigen, verzehrenden Impulsen, bösen und guten, edlen und gemeinen, niemals aber zu einem überdauernden Gefühl niemals zu einer Gefühlsregung, die fortwirken und in die Substanz der Seele eingehen würde. Alles in mir hat die Tendenz, anschließend etwas anderes zu sein; es ist eine Ungeduld der Seele gegen sich selbst, wie gegenüber einem lästigen Kind, eine wachsende und immer gleiche Unruhe. Alles fesselt mich und nichts hält mich fest. Ich gebe auf alles acht und träume dabei ständig; ich halte den geringfügigsten Gesichtsausdruck meiner Gesprächspartner fest; ich sammele die milimeterhaften Intonationsnuancen ihrer Redeweise; doch indem ich sie anhöre, höre ich gar nicht zu, ich denke dabei an etwas anderes und am wenigsten entnehme ich dem Gespräch, was in ihm von meiner Seite oder von seiten meines Gesprächspartners ausgesagt wurde. So wiederhole ich jemandem das, was ich ihm gegenüber schon mehrfach ausgesprochen habe und frage ihn erneut nach dem, worauf er mir schon Antwort gegeben hatte. Aber ich kann mit vier photographischen Wörtern die Gebärde beschreiben, mit der er das gesagt hat, woran ich mich nicht mehr erinnere, oder die Art und Weise seines Augenausdrucks, mit dem er die Erzählung aufnahm, die ich mich nicht erinnern kann, ihm vorgetragen zu haben. Ich bin zwei Wesen und beide auf Distanz - siamesische Zwillinge, die nicht mit einander verbunden sind."

18.9.1933: "Man sagt, der Überdruß sei eine Krankheit der Müßiggänger oder bealle nur diejenigen, die nichts zu tun haben. Diese Plage der Seele ist jedoch subtiler: Sie überfällt diejenigen, die dafür veranlagt sind, und verschont diejenigen, die arbeiten oder so tun, als ob sie arbeiteten (was für unseren Zweck auf das gleiche herauskommt) weniger als wirklich Untätigen.
Es gibt nichts Schlimmeres als den Gegensatz zwischen dem natürlichen Glanz des inneren Lebens mit seinen indischen Landschaften und seinen unbekannten Ländern und dem Schmutz, selbst wenn er in Wahrheit nicht schmutzig ist, der Alltäglichkeiten des Lebens. Des Überdruß lastet mehr, wenn er nicht die Entchuldigung des Müßiggangs hat. Der Überdruß der angstrengt Arbeitenden ist der schlimmste von allen.
Der Überdruß ist nicht die Langeweile des Nichts-zu-tun-Habens, sondern die ärgere Krankheit, zu fühlen, daß es sich nicht lohnt, irgend erwas zu tun. Und da dem so ist, muß man, je mehr zu tun ist, um so mehr Überdruß empfinden.
Wie oft erhebe ich von dem Hauptbuch, in dem ich schreibe, das ich bearbeite, meinen von aller Welt verlassenen Kopf! Mehr Wer hätte es für mich, tatenlos herumzusitzen, ohne irgend etwas zu tun, ohne etwas tun zu müssen, denn einen solchen Überdruß würde ich, obwohl er wirklich wäre, zumindest genießen können. In meinem gegenwärtigen Überdruß liegt keine Erholung, kein Adel und kein Wohlsein, in welchem es Unwohlsein gäbe: Es liegt darin nur ein umfassendes Verlöschen aller vollbrachten Gebärden, nicht eine mögliche Erschöpfung ob er nicht zu vollführenden Gebärden.

23.4.1930 159(330): Was ist das für eine ungewisse Liebkosung, um so weicher als es keine Liebkosung ist, die mir die vage Brise des Abends an die Stirn und an das Verständnis fächelt? Ich weiß nur, daß mir der Überdruß, unter dem ich leide, einen Moment lang besser paßt - wie ein Kleidungsstück, das nicht länger auf einer Wunde scheuert.
Armselige Sensibilität, die von einer kleinen Luftbewegung abhängt, um, wenn auch nur vorübergehend, Ruhe zu finden! Aber so geht es eben mit der Sensibilität des Menschen; ich glaube nicht, daß plötzlich gewonnenes Geld oder ein unerwartet empfangenes Lächeln auf der Waage der Wesen mehr weigen und für andere Menschen mehr bedeuten können als für mich in diesem Augenblick das rasche Vorüberstreifen einer Brise.
Ich kann nun ans Schlafen denken. Ich kann nun vom Träumen träumen. Ich erkenne nun die Objektivität aller Dinge klarer. Ich fühle mich komfortabler im äußeren Gefühl des Lebens. Und das alles wirklich, weil mir als ich an die Straßenecke kam, eine Brise die Hautoberfläche erheitert hat.
Alles, was wir lieben oder verlieren - Dinge, Wesen oder Bedeutungen - streift unsere Haut und gelangt so in unsere Seele, und der Vorgang ist in Gott nicht mehr als die Brise, die mir nichts gebracht hat außer der mutßmaßlichen Erleichterung, dem günstigen Augenblick und der Fähigkeit, alles mit Glanz verlieren zu können.
23.12.1933
All jene unglücklichen Zufälle unseres Lebens, bei denen wir uns lächerlich oder gemein oder rückständig betragen haben, sollten wir im Licht unserer intimen Heiterkeit als Reisemühsal betrachten. In dieser Welt sind wir willentliche oder unwillentliche Reisende zwischen nichts.

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posted by kyu-ree @ 5:36:00 PM  
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